Sven@GLAMhack21: NFT – der Hype

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Wir haben für euch einerseits einen Podcast zum Thema NFT aufgenommen, meine Gäst*innen LIA, Anna Katharina Tipotsch und Thomas Moser und ich (Moderation: Sylvia Petrovic-Majer) haben sich dazu angeregt dem Thema nicht nur genähert, sondern sind sogar etwas unter die Haut gegangen… natürlich zum Anhören auf Open_Culture_Cast Soundcloud oder allen Podcast APPs.

Spätestens seit der spektakulären Versteigerung des digitalen Kunstwerks „Everydays: the First 5000 Days“ des Künstlers Beeple, das für rund 69 Millionen US-Dollar verkauft wurde, wird  über das Thema NFTs auch in den Mainstream-Medien ausführlich berichtet.

Ein Blick in NFT-Marktplätze, wie z.B. OpenSea oder Rarible , zeigt jede Menge Bildchen, animierte GIFs, Memes; auf den ersten Blick: manche ganz nett, andere albern. Aber auch ansprechende Objekte sind dabei, das ist eben Geschmackssache. Auf Social Media Kanälen wimmelt es von Anleitungen, wie NFTs erstellt und zu Geld gemacht werden können. Nicht wenige weisen auf den hohen Energieverbrauch hin und kompensieren ihre Blockchain-Transaktionen mit freiwilligen CO2-Abgaben. Der Klimawandel schwingt mit. Aber was hat es mit dem Hype auf sich?Das Akronym NFT steht für „Non fungible Token“, was grob mit „Nicht austauschbare Wertmarke“ übersetzt werden könnte. So können zum Beispiel gleichwertige Münzen einer bestimmten Währung beliebig ausgetauscht, das Gemälde der Mona Lisa jedoch nicht durch ein anderes Kunstwerk ersetzt werden. NFTs sind im Prinzip digitale Echtheitszertifikate, über die das Eigentum an digitalen – oder mit Einschränkungen auch an physischen Wertgegenständen unabstreitbar nachgewiesen werden kann.

Was die Technologie betrifft, bauen NFTs zum überwiegenden Teil auf derselben Blockchain-Technologie auf, die auch bei Kryptowährungen zum Einsatz kommt. Das Vertrauen in die Fälschungssicherheit der Blockchain-Transaktionen untermauert die Glaubwürdigkeit der Zertifikate. NFTs stellen gewissermaßen Ankerpunkte in einem Netzwerk dar, da sie eindeutig identifizierbar sind. Sie können weitergegeben oder verkauft werden, Urheberschaft und Besitzer bleiben immer nachverfolgbar. Dem aktuellen NFT-Hype ist ein Blockchain-Hype vorausgegangen. 2009 wurde unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto auf mysteriöse Weise ein wissenschaftlicher Artikel zu der bekannten Kryptowährung Bitcoin publiziert. Der Artikel beschrieb ein System zur Durchführung von Finanztransaktionen ohne zentrale Instanz – also ohne Bank. Der Ansatz basierte auf etablierten kryptographischen Methoden – assymmetrische Verschlüsselung und Hashfunktionen -, die es in Grundzügen schon seit den 1970er Jahren gab. Außerdem basiert es auf Peer-to-Peer-Netzwerken, wie sie spätestens seit 1999 mit Erscheinen der Musiktauschbörse Napster allgemein bekannt wurden. Aber Vertrauen in ein Netzwerk ohne zentrale Instanz? Das war neu. Und so gibt es inzwischen mehr als 12.000 Kryptowährungen, wovon ein Großteil allerdings Bitcoin-Kopien (Altcoins) ohne wesentlichen Neuerungen sind. Bei Bitcoin handelt es sich um ein dezentrales Netzwerk, in dem sich die Teilnehmerinnen bei der Durchführung von Kryptogeld-Transfers nicht gegenseitig vertrauen müssen. Es gibt ausgeklügelte Mechanismen durch die Betriebskosten aufgeteilt und Vertrauen in die Korrektheit der Transaktionen und die gemeinsame Buchführung hergestellt werden. Das klingt erst einmal gut, aber es gibt Nachteile, die bis heute nicht ausgeräumt werden konnten, wie zum Beispiel der hohe Energiebedarf oder die Begrenzung der Anzahl der Transaktionen, die pro Sekunde ausgeführt werden können. Kreditkartensysteme könnte die Technologie beim derzeitigen Stand der Technologie jedenfalls nicht ersetzen. Aus wirtschaftlicher Sicht schlägt sich der NFT-Hype auch in Zahlen nieder: Das Handelsvolumen von NFTs ist im ersten Halbjahr 2021 auf über 2 Milliarden Dollar angewachsen.

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass sich Unternehmen schon in den 90er Jahren die Vernetzung von Computern zu Nutze machten, indem sie Netzwerke einer explosionsartig anwachseneden Zahl an Internet-Webseiten oder Postings auf Social Media Webseiten durchsuchbar zu machten. In der Mehrzahl hatten sie ein erfolgreiches Geschäftsmodell gemeinsam: Services gibt es im Tausch gegen Informationen zur Service-Nutzung kostenlos, damit später zielgerichtete Werbung angezeigt werden kann.

Rund um die gezielte Online-Werbung hat sich inzwischen eine ganze Branche etabliert. Das Netzwerk dieser Branche beschränkt sich nicht auf die Plattformen. Webseiten-Betreiber binden Services für zielgerichtete Werbung in ihre Websites ein und lassen sich an den Erträgen beteiligen. Das ist oft einfacher als eigene Verträge mit Werbepartnern auszuhandeln. Und für die Plattform-Betreiber sind die Aktivitäten auf Webseiten, die außerhalb ihrer unmittelbaren Reichweite liegen, sehr wertvoll. Durch die Nutzung der Services im privaten und beruflichen Alltag sind Internet-Nutzer fast immer eingeloggt und daher als Werbeziel gut identifizierbar.

Meist wird durch die Plattformen auch der Zugang zu geteilten Inhalten an die Bedingung geknüpft, registriertes Mitglied auf der Plattform zu sein. Denn den Kosten für das Bereithalten und Teilen müssen ja größere Werbeeinnahmen gegenüberstehen. Die Inhalte sind somit im System der Plattform eingeschlossen. „Datensilo“ wird das gerne genannt, um bildhaft deutlich zu machen, dass die Daten eingeschlossen und nicht frei zugänglich sind.

Außerdem kontrolliert der Plattformbetreiber die Kommunikationsnetzwerke und entscheidet – oft auch aufgrund von Druck durch Investoren oder Regierungen – über das Entfernen von Inhalten. Diese zentrale Kontrolle wird zunehmend kritisiert, darum denken Führungsfiguren mancher Social Media Plattformen auch gerne laut über Governance-Modelle nach, die der User Community mehr Mitspracherecht einräumen.

Und genau hier liegt das Potential von NFTs. NFTs – und auch die Objekte selbst – können in einer verteilten Infrastruktur gespeichert werden. Zugriff auf das Objekt und auch die Vervielfältigung sind unbegrenzt möglich. Und trotzdem kann eindeutig belegt werden wo ein Objekt ursprünglich herkommt, wer  es erstellt hat, und was die Nutzungsbedingungen sind. Mit Hilfe von Smart Contracts (eine Besonderheit der Ethereum Plattform) lassen sich spezielle Vergütungsmodelle einrichten. Das alles bedeutet mehr Gestaltungsspielraum.

Aber wie kann der Gestaltungsspielraum genutzt werden? Praktische Probleme bereiten zunächst die hohen Kosten, welche mit der Ausführung eines Ethereum Smart Contracts verbunden sind. Da der Kurs der Ethereum Kryptowährung so stark gestiegen ist, ist die unmittelbare Einrichtung eines Smart Contract auf der Ethereum Blockchain keine praktikable Option. Hinzu kommt die Komplexität der Ausführung von Transaktonen und Smart Contracts.

Aus diesem Grund gibt es mittlerweile Plattformen, welche vorgefertigte NFT-Smart Contracts verwenden und dadurch die Erstellung (Minting) und den Verkauf von NFTs erheblich kostengünstiger machen. Aber Moment!

Wieder Bedingungen einer Plattformen akzeptieren? Rarible, zum Beispiel, hat hehre Ziele und will in Plattform in Richtung einer sogenannten DAO (Deanonymized Anonymous Organisation) entwickeln. Die Idee dabei ist, dass die Governance-Regeln für die Organisation in einem Smart Contract programmiert sind. Statt einer zentralen Führung steuert die Community mit ihren

anonymen Mitgliedern die Organisation. Der Smart Contract folgt unbeeinflussbar und unparteiisch den programmierten Regeln. Dezentrale Führungsstruktur. Soweit die Idee. Die Herausforderung ist, die Zentralisierung der DAO, die sich möglicherweise über Umwege wieder einschleicht, zu verhindern. Die Regeln für die DAO müssen programmiert werden. Eine Gruppe von Spezialistinnen, die den Code verstehen und ausrollen können, ist so eine Form der Zentralisierung.

Also ja, mehr Unabhängigkeit von werbefinanzierter Plattform-Ökonomie, mehr Mitbestimmung und Gestaltungsmöglichkeiten für Kunstschaffende und Kulturorganisationen. Es lohnt sich, diese Möglichkeiten weiter zu erforschen. Doch auch abgesehen von technischen und ökologischen Herausforderungen, wäre es naiv zu glauben, dass die Lösung für dezentrale Community-Organisation uns auf dem Silbertablett in Form einer benutzerfreundlichen Marktplatz-Website geliefert werden kann. Alles kein Problem, die Komplexität wird versteckt, keine Fachkenntnisse erforderlich. Wo bleiben dann die Gestaltungsmöglichkeiten? Ich glaube, wir kommen nicht drumherum, dass wir verstehen müssen, wie es funktioniert, wenn wir gestalten wollen.

 

Textverfasser: Sven Schlarb (AIT – Austrian Institut of Technologie)